16./17.09.2021
Zum 1. Mal nach 5 Jahren muss Ursi heute die Nacht alleine im Camper verbringen, denn sie hat keine Lust sich diesen Strapazen auszusetzen.
Mit der Unterstützung von Bergführer Isaak will ich den 3976m hohen Vulkan Acatenango besteigen, um den feuerspeienden Vulkan Fuego von oben zu beobachten.
Während ein feiner Nieselregen über ein nebeliges Antigua niedergeht, entlädt sich donnernd ein Gewitter über den beiden Schicht-Vulkanen. Isaak will den Aufstieg auf den Acatenango trotzdem wagen und lächelt über mein Bedenken. Nach einer stündigen Autofahrt an den Fuss des Vulkans beginnen wir im Dunkeln um 20.30 Uhr den steilen Aufstieg. Obwohl inzwischen ein 3/4-Mond auf uns herunter leuchtet - Wege sehe ich selten. Meistens geht es die steile sandige Flanke hoch, dort, wo vor kurzem noch das Regenwasser runtergeströmt ist. Das Wasser hat sich metertief eingegraben, das Licht der Stirnlampe verliert sich im dunklen Sand.
Zwei Schritte nach vorn, einer zurück, ... zwei Schritte nach vorn, einer zurück, ...
Auf 3000m Höhe erreichen wir eine einfache Schutzhütte. Bereits nach 10min drängt Isaak wieder zum Aufbruch. Inzwischen sind auch die Eruptionen des Vulkan Fuego nicht zu überhören.
Zwei Schritte nach vorn, einer zurück, ... zwei Schritte nach vorn, einer zurück, ... Je höher wir steigen, desto steiler wird die Flanke des Vulkans. Zwei Schritte nach vorn, einer zurück, ...
Um 02.15 Uhr, nach 6 1/4 Stunden steilen Aufstiegs über die Sandflanken des Vulkans haben wir es geschafft. Wir stehen auf dem Gipfel des 3976m hohen Acatenango. Die Nacht ist klar, die Aussicht auf die umliegenden Dörfer und Städte ist überwältigend, ein kräftiger kalter Wind zieht uns um die Ohren.
Plötzlich explodiert der 200m tiefer liegende Vulkan Fuego und speit Feuer und glühende Steine in die Luft. Was für ein Schauspiel ! Das Spektakel wiederholt sich bis zu 5 mal in der Stunde. Glühende Steinbrocken - manche müssen riesig sein - rollen donnernd die steilen Vulkan-Flanken hinunter.
Bei einem Vulkan-Ausbruch im Juni 2018 sind mehr als 200 Menschen getötet worden, über 200 gelten noch immer als vermisst. Die Menschen am Fusse dieses Ungetüms scheinen diese regelmässigen Ausbrüche aber nicht zu stören - sie schlafen.
Um 04.30 Uhr habe ich genug gesehen. Mir klappern die Zähne und der kalte Wind zieht durch alle meine Kleider. Obwohl er das Schauspiel schon dutzende male miterlebt hat, kann sich Isaak nicht sattsehen. Auch will er noch den morgendlichen Horizont und den Sonnenaufgang um 06.00 Uhr abwarten.
Nach etwas Überzeugungsarbeit - für den Sonnenaufgang müssen wir nicht auf dem Gipfel bleiben, den können wir auch auf dem Rückweg geniessen - machen wir uns an den Abstieg.
Leider ist die Abstiegsroute felsig, ein schnelles Runterhüpfen im Sand á la Vulkan Chachani hätte mir mehr Spass gemacht. Das aufkommende Morgenlicht lässt nun jedoch eine schöne Bergwelt erkennen und entschädigt mich auch für die 3-stündigen Rückmarsch-Strapazen.
Nachtrag Ursi:
Zum Glück habe ich auf mein Gefühl gehört, denn nach den Erzählungen von Röbä bin ich überzeugt, dass ich die Nacht frierend auf dem Boden der Schutzhütte verbracht hätte. Mich hätten keine 10 Pferde weiter gebracht!! :o))